06 | Raumplanerische Umsetzung der ÖI

Überlegungen zur Berücksichtigung der Ökologischen Infrastruktur im kantonalen Richtplan

Als flächendeckende Schwerpunktplanung ist die ÖI-Planung darauf ausgelegt, mindestens in Teilen in den kantonalen Richtplänen aufgenommen zu werden. Einige Überlegungen dazu sind in diesem Beitrag zu finden.

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Charakter
Hintergrund
Raumbezug
Ganze Schweiz
Datum
November 2025

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Übersicht

Der Richtplan ist das wichtigste Instrument der kantonalen Raumplanung. Seine zentrale Aufgabe besteht darin, die wichtigsten raumwirksamen Tätigkeiten aller staatlichen Ebenen auf die gewünschte räumliche Entwicklung abzustimmen. Die kantonalen Planungen zur Ökologischen Infrastruktur liefern hierzu wertvolle Grundlagen.

Da sich die Richtpläne jedoch von Kanton zu Kanton stark unterscheiden, lässt sich kein allgemein gültiger Ansatz festlegen, wie die ÖI-Planung in die Richtplanung integriert werden sollte – zumal auch politische Faktoren eine wichtige Rolle spielen.

Die folgenden Überlegungen sollen deshalb als Orientierung dienen, um für jeden Kanton zu prüfen, welche Vorgehensweise am sinnvollsten ist.


Übergeordnete Verankerung der ÖI im Richtplan

Für eine ganzheitliche Planung und um der Ökologischen Infrastruktur im kantonalen Richtplan angemessenes Gewicht zu verleihen, sollte deren Sicherung sowie Förderung bzw. Stärkung auf einer übergeordneten strategischen Ebene verankert werden. Dies kann beispielsweise im Raumkonzept (bspw. als Leitlinie), in der Raumentwicklungsstrategie oder allgemein im strategischen Überbau im Richtplan erfolgen.

Beispiele dafür finden sich etwa in den Richtplänen der Kantone Waadt und Jura. Ebenso denkbar ist es, die Anliegen der Ökologischen Infrastruktur in einem eigenen Objektblatt zu bündeln, um ihren Stellenwert aus integraler Perspektive hervorzuheben und die Bezüge zu anderen Themenfeldern sichtbar zu machen. Darin können Planungsgrundsätzen und -anweisungen festgehalten werden.

Die Zielsetzung der Ökologischen Infrastruktur im Richtplan kann beispielsweise auf folgende Aspekte eingehen:

  • Die ÖI zeigt im Richtplan dies Interessengebiete des Naturschutzes auf.
  • Die ÖI weist die wesentlichen bestehenden Naturwerte und den prioritären Handlungsbedarf in Defizitregionen aus.
  • Die ÖI bezeichnet wichtige bestehende und zu schaffende Vernetzungsachsen und -räume.
  • Die ÖI liefert Grundlagen als Planungsanweisungen, etwa in Themen und Sachebenen, welche nicht primär dem Naturschutz gewidmet sind.


Rolle von Sachplänen und Teilstrategien auf kantonaler Ebene

Einige Kantone – etwa Kt. Bern – nutzen in der Raumplanung das Instrument der Sachpläne. Diese ermöglichen es, bestehende Defizite sowie notwendige Massnahmen vertiefter zu analysieren. Zudem unterscheidet sich der Prozess ihrer Erarbeitung und Verabschiedung vom denjenigen des Richtplans.

In anderen Kantonen wiederum verweist der Richtplan auf eigenständige Biodiversitätsstrategien oder Landschaftsschutzkonzepte.

Dabei ist besonders wichtig, auf den Grad der Verbindlichkeit zu achten, der schliesslich im Richtplan festgelegt wird.


Schwerpunkträume im Richtplan abbilden

Ein zentrales Ergebnis der Planung der Ökologischen Infrastruktur ist die Definition von Schwerpunkträumen. Diese dienen als räumliche und inhaltliche Fokussierung hinsichtlich Sicherung und Stärkung der Ökologischen Infrastruktur. Eine solche Abgrenzung lässt sich wirkungsvoll auf der Ebene des kantonalen Richtplans verankern. In der Regel entspricht der Planungsmassstab der Schwerpunkträume auch der Richtplanebene, ansonsten sind gegebenenfalls gewisse Anpassungen vorzunehmen.

Räume für die ökologische Vernetzung sind ein wesentliches Element der Ökologischen Infrastruktur. Sie sollten daher im Richtplan klar dargestellt und verortet werden – entweder als eigene Fachkarte oder als zentraler Bestandteil des Richtplans.

Die Festlegung von Schwerpunkträumen unterstützt eine gezielte Lenkung von Massnahmen und finanziellen Mitteln. Sie schafft zudem eine erhöhte Sorgfaltspflicht und schärfere Anforderungen bei der Planung und Realisierung anderer Vorhaben innerhalb dieser Gebiete.

Aufwertungsmassnahmen konzentrieren sich dabei primär innerhalb des abgegrenzten Perimeters, beispielsweise durch die Schaffung neuer Trittsteinbiotope oder durch die qualitative Verbesserung bestehender Lebensräume.

Hinsichtlich räumlicher Abgrenzung sind weitere Schnittstellen zu beachten, etwa zu Siedlungstrenngürteln, Gewässer- und Uferräumen oder Wildtierkorridoren.

Es kann für die Darstellung im Richtplan sinnvoll sein, einzelne Typen von Schwerpunkträumen (SPR) zu unterscheiden, so etwa:

  • SPR mit hohen bestehenden Werten
    • Vorrangzonen um Kerngebiete, im Sinne von Objektkomplexen/-verbunde, inklusive Thematik Pufferzonen, Arrondierungen etc.
    • Räumlich meist recht konkret definiert, eher eng um bestehende Werte angeordnet
  • SPR im Sinne von Korridoren und Vernetzungsräumen
    • Lage klar definiert, aber exakte Abgrenzung bzw. Dimensionierung teilweise noch offen
    • Vergleichbar mit Wildtierkorridoren, aber unterschiedlichen Zielarten/Lebensraumtypen
    • Begründung durch Vernetzungsanalyse im Rahmen Gesamtplanung
  • Potenzialräume
    • Exakte Abgrenzung meist noch offen, aber begründet durch vermutete oder bereits bekannte Vorkommen von wertgebenden Arten, potenzielle bzw. modellierte Vorkommen und/oder hohe Standortspotenziale (kann sich in Teilen mit den beiden oben erwähnte Typen überlagern)
  • Defizit-/Aufwertungsräume
    • Exakte Abgrenzung meist noch offen, Begründung basierend z.B. auf fehlenden Werten, Lücken in der Vernetzung oder funktionale Defizite (da meist auf Annahmen und Modellen basierend in der Tendenz weniger stichhaltig begründet als bei den anderen Typen)

Für die letzten beiden Typen besteht ein enger Zusammenhang zum Ökologischen Ausgleich gemäss Art. 18b Abs. 2 NHG bzw. Art. 15 NHV im Sinne Benennung defizitärer Räume für proaktive Massnahmen des ökologischen Ausgleiches bzw. als Legitimation für das Ausscheidung von Trittsteinen.

Wichtig ist zudem, die Signalwirkung der Schwerpunkträumen auch im Umkehrschluss zu beachten: Was für Ansprüche und Ziele gelten für den Naturschutz ausserhalb der SPR?


Beispiele für Einträge zu Räumen im Sinne der ÖI in bisherigen Richtplänen

Im Richtplan des Kantons Thurgau sind eine ganze Anzahl von «Gebieten mit Vernetzungsfunktion» abgebildet. Diese stellen auch die Grundlage für die Vernetzungsprojekte der Landwirtschaft dar.

Abbildung 1
Abb. 1: Beispiel Richtplan Kt. Thurgau. Mit detaillierten Massnahmenblättern pro Gebiet.

Im Richtplan des Kantons Aargau sind «Beitrags- und Aufwertungsgebiete» verzeichnet, welche Schwerpunktsgebiete für die ökologische Aufwertung darstellen.

Abbildung 2
Abb. 2: Beispiel Kt. Aargau. Beitrags- und Aufwertungsgebiet – ursprünglich gedacht zur Steuerung der Unterstützung der Vernetzungsprojekte.

Im Richtplan des Kantons Zürich sind Schwerpunktgebiete für die Förderung von gebiets- und landschaftsraumspezifischen Naturpotenzialen enthalten.

Abbildung 3
Abb. 3: Beispiel Kt. Zürich. Schwerpunktgebiete für die Förderung von gebiets- und landschaftsraumspezifischen Naturpotenzialen.

Abbildung 4
Abb. 4: Beispiel Kt. Zürich. Landschaftsförderungsgebiete mit Auszug Legende.

Naturschutzgebiete/-zonen und Ökologische Infrastruktur

In den kantonalen Richtplänen sind in der Regel bestehende Naturschutzgebiete ausgewiesen, sei das als Liste und/oder Karte der Objekte von nationaler und kantonaler Bedeutung oder als Naturschutzzonen oder auch als kantonale Vorranggebiete Natur und Landschaft.

Die kantonalen Planungen der Ökologische Infrastruktur liefern mit dem Ausgangszustand eine aktuelle Übersicht (v.a. der Kerngebiete), welche einerseits an diesem bestehenden Inhalt der Richtpläne anknüpfen kann und andererseits auch zu dessen Ergänzung und Aufdatierung dienen kann.

Zu prüfen sind demnach folgende Optionen:

  • Grundlagen aus der ÖI zur Verifikation und Bestätigung der bestehenden Einträge nutzen.
  • Wo nötig Ergänzungen und Aktualisierungen einbringen.
  • Aktuell abgestützten Handlungsbedarf bei bestehenden Objekten / Einträgen aufzeigen.
  • Bestehende Objekte verstärkt als Schwerpunkt oder Lebensraumkomplexe zu-sammenfassen (aus räumlicher wie auch funktionaler Sichtweise), inkl. Überle-gungen zu Arrondierungsbedarf, Pufferzonen etc.
    Dabei ist zu beachten, dass solche Überlegungen in einzelnen Kantonen allenfalls bereits in die Abgrenzung von Schwerpunkträumen eingeflossen sind.
  • Einbringen von neuen Kerngebieten, welche sich gegebenenfalls als Teilergebnis aus der ÖI-Planung ergeben haben.
  • Umgang mit potenziellen Flächen sowie «Verdachtsflächen», deren Eignung im Rahmen der ÖI-Fachplanung noch nicht abschliessend beurteilt werden kann (z.B. Beobachtungsqualität Info Species) noch zu definieren.


Wildtierkorridore und Ökologische Infrastruktur

In vielen kantonalen Richtplänen ist ein separates Kapitel zu den Wildtierkorridoren zu finden. Räumlich sind diese je nach Kanton unterschiedlich differenziert im Richtplan abgebildet, teilweise lediglich als Pfeile oder lineare Achsen, teilweise detailliert abgegrenzt und bezeichnet. Inhaltlich erfolgt in der Regel eine Einstufung des aktuellen Zustands (Funktionalität) in den Kategorien «intakt», «beeinträchtigt», «unterbrochen».

Grundsätzlich handelt es sich um ein mit der ÖI eng verwandtes Anliegen, einfach begrenzt auf die Ansprüche der grösseren (meist jagdbaren) Wildtiere. Als Datenbasis sind die ausgeschiedenen Wildtierkorridore in die kantonalen ÖI-Planungen eingeflossen.

Denkbar ist, der bestehende Richtplaneintrag zu den Wildtierkorridoren zu nutzen und diesen inhaltlich auf die Gesamtsicht der ÖI auszuweiten. So könnten etwa die Achsen der WTK mit weiteren Vernetzungsräumen und -korridoren ergänzt werden, mit Fokus auf Freihaltung und Realisierung von Aufwertungen. Zudem kann auf die bestehenden Vorgaben hinsichtlich Umsetzung (etwa indem die Gemeinden die Durchlässigkeit in der Nutzungsplanung sichern) abgestützt werden. Das Thema der Wildtierkorridore ist gut etabliert, eine Ergänzung / Erweiterung in Richtung ÖI ist daher unter Umständen einfacher zu realisieren als ein ganz neues Kapitel zur ÖI.


Weitere Themen in Zusammenhang mit der ÖI

  • Grünachsen im Siedlungsgebiet / entlang von Verkehrsbegleitflächen
  • Gewässerraum als Vernetzungsachsen – ähnlich wie WTK (evtl. in Kombi mit Längsvernetzung Gewässer sowie KG in Gewässern (z.B. Laichgebiete)
  • Vorsorgeflächen (wie DräBo / Moorergänzungsflächen ZH, auch Potenzial bzw. Defizite mit Potenzial)
    • Sicherung, aber angepasste Nutzung vorderhand weiterhin möglich
    • Bsp. Kt ZH
    • Flächensicherung, eher strategische Planung


Konkretisierung der räumlichen Abgrenzungen

Der Planungsmassstab der ÖI-Planung ist in den meisten Kanton zu grob, um bereits parzellenscharf Massnahmen festlegen zu können. Zudem handelt es sich um eine Fachplanung, welche alleine aufgrund bereits vorliegender Daten erarbeitet wurde – eine Feldüberprüfung fand bisher höchstens in Einzelfällen statt. Gerade in grösseren Kantonen ist es daher sinnvoll, für die konkrete Umsetzung der ÖI-Planung einen Zwischenschritt auf regionaler Stufe vorzusehen, um damit die Überlegungen zu konkretisieren und ein Umsetzungskonzept vorzubereiten.

Im Kanton Aargau ist hierzu ein Pilotprojekt in der Region «Lebensraum Lenzburg Seetal» im Gange. Hier wird das vor rund 20 Jahren erstellte regionale Landschaftsentwicklungsprogramm (LEP) auf Basis der ÖI-Planung angepasst und aktualisiert.


Anliegen ÖI als Auftrag in den Richtplan integrieren

Es besteht auch die Möglichkeit, im Richtplan Aufträge zu verankern, um Fachgrundlagen zu erstellen bzw. nachzuführen oder zu konkretisieren. Letzteres kann insbesondere genutzt werden, um aus den vorhandenen ÖI-Grundlagen konkrete Umsetzungsprogramme und Massnahmen abzuleiten. Dies kann als generelle Stossrichtung, noch ohne nähere Details erfolgen, diese werden dann via Erledigung des Auftrags konkretisiert. Auf diese Weise wird das Vorgehen aufgezeigt und die Zuständigkeiten bezeichnet, bietet aber noch Spielraum in der konkreten Ausführung.

Abbildung 5
Abb. 5: Beispiel Kt. Zürich. Auftrag für ein kantonales Vernetzungskonzept im Richtplan (neben Karte mit den überkommunalen Schutzobjekten – vgl. Abschnitt 2.1).



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